Walhaie sind die grössten Fische der Welt, kommen in allen tropischen und subtropischen Ozeanen vor und können eine Länge von bis zu 20 m erreichen. Sie ernähren sich hauptsächlich von Plankton, aber auch von Tintenfischen, kleinen oder mittleren Fischen sowie von Krustentieren, die sie in den oberen Wasserschichten mit ihrem riesigen Maul aufnehmen und aus dem Wasser filtern. Walhaie vermehren sich durch Eier, die in der Gebärmutter heranreifen. Dort schlüpfen auch die jungen Walhaie und werden dann lebend geboren. Diese beeindruckenden Tiere sind jedoch stark gefährdet, denn ihre Anzahl hat sich in den letzten Jahren dramatisch reduziert.
Es ist deshalb wichtig, zu erfassen, wie rasch sich die Bestände der Walhaie erholen können. Bisher ist nur sehr wenig über die Lebensweise der Tiere bekannt und geschlechtsreife Walhaie werden nur sehr selten gesichtet. Im Gebiet um Darwins Arch konnten jedoch vermehrt erwachsene Walhaiweibchen beobachtet werden und Forscher gingen davon aus, dass es sich dabei um trächtige Tiere handeln könnte.
Aus diesem Grund haben die Meeresbiologen Chris Rohner und Alex Hearn gemeinsam mit dem Team der Marine Megafauna Foundation, das Galápagos Walhai-Projekt lanciert. Ihr Ziel ist es, umfangreiche Informationen über die Wanderrouten der Walhaie, das Tauchverhalten und den Gesundheitszustand der Tiere zu erhalten. Dazu werden die Haie mit Satellitensendern versehen, die ihre gesammelten Daten senden, sobald die Fische an die Meeresoberfläche kommen. Zusätzliche Informationen über die Gesundheit der Tiere und über ihren Fortpflanzungszyklus erhalten die Forscher durch Ultraschallaufnahmen und Blutproben. Die so gewonnenen Daten können dann mit bereits vorhandenen Informationen aus Vorjahren verglichen werden. Auf diese Weise ist es Chris und Alex möglich, das Verhalten der Tiere zu verstehen und passende Massnahmen zum Schutz dieser seltenen Ozeanriesen zu entwickeln.

Moderne Technik macht es möglich
Zur Datenermittlung werden zwei unterschiedliche Satellitensender benutzt: Den miniPAT zur Ermittlung des Tauchverhaltens und den Spot6, der die Position des Walhais im Ozean anzeigt.
Verknüpfen die Forscher die gewonnenen Daten miteinander, können sie feststellen, ob sich die Schwimmrouten der Walhaie an Eigenschaften des Meeresbodens orientieren, z.B. an Bruchzonen oder Meeresgebirgen. Zusätzlich registrieren beide Sender die Tauchtiefe, Wassertemperatur und Lichtverhältnisse.
Bei vorangegangenen Expeditionen mussten die Forscher feststellen, dass die von ihnen genutzten Sender bis zu einer Tauchtiefe von 2'000 m gut funktionieren, dann aber entweder durch den Druck zerstört wurden oder abfielen. Aus diesem Grund wurden bei der Expedition 2019 zusätzlich zu den bisher verwendeten Modellen noch vier DeepV2-Sender getestet, die für Tiefen von bis zu 4'500 m geeignet sind. Alle Sender werden mit einer Klammer an der Rückenflosse der Walhaie befestigt, was einen minimal invasiven Eingriff für die Tiere bedeutet.
Die SPOT6 Sender sind für die Langzeitverfolgung der Walhaie vorgesehen und können im Idealfall bis zu vier Jahre alle Bewegungen des Hais melden, sobald dieser an die Wasseroberfläche kommt. Der miniPAT Sender hingegen ist so programmiert, dass er sich nach einer vorher eingestellten Zeit oder Tiefe automatisch löst und an die Oberfläche schwimmt. Erst dann sendet er die gespeicherten Daten an den Satelliten. Die neueren DEEP V2 Sender wurden so programmiert, dass sie sich nach 10 – 40 Tagen vom Walhai lösen und ebenfalls an die Wasseroberfläche aufsteigen und ihre Daten übermitteln.

Weitere Arbeiten an den Walhaien
Zusätzlich wurden bei den Walhaien Blutproben genommen. Weil die Tiere eine Hautdicke von bis zu 25 cm haben, braucht es spezielle, lange Kanülen und viel Geschick. Dies, weil ein Walhai im Ozean mit bis zu 5 km/h schwimmt und nicht einfach ruhig stehen bleibt und wartet, bis alles vorbei ist. Der Forscher muss sich daher bei seiner Arbeit an den Haien festhalten während er die Probe abnimmt. Das geschieht bevorzugt an den Bauchflossen, da hier die Haut dünner ist.
Bei der Expedition im Jahr 2019 wurden vier Blutproben von vermutlich erwachsenen Walhaien genommen. Diese haben die Wissenschaftler später mit denen aus vorherigen Expeditionen verglichen. Die Blutproben wurden mit einem Gerinnungshemmer versetzt und durch Zentrifugieren in Blutserum und -plasma getrennt. Mit dem Blutserum konnte schon an Bord des Forschungsschiffs neben einfachen Basiswerten auch der partielle Sauerstoffdruck, PH-, CO2- und Milchsäure-Werte bestimmt werden. Anhand dieser Werte können die Forscher auf das individuelle Stresslevel und den allgemeinen Gesundheitszustand der Walhaie schliessen.

Schwanger oder Nicht?
Blutserum und -plasma wurden für weitere Analysen im Labor der Universität San Francisco de Quito eingefroren. Hier wird unter anderem die Konzentration verschiedener Sexualhormone, wie Östrogen, Progesteron und Testosteron, ermittelt. Da man bisher noch keine genauen Kenntnisse über die Sexualhormone erwachsener Walhaie hat, sind diese Werte sehr wichtig, um in Zukunft bestimmen zu können, ob die Tiere empfängnisbereit, schwanger überhaupt geschlechtsreif sind.
Obwohl die Werte bei keinem der Tiere eine Schwangerschaft oder Empfängnisbereitschaft zeigten, lassen sie die Vermutung zu, dass die Walhaie vor Galapagos in einem fortpflanzungsfähigen Alter sind und eventuell bereits vor kurzem Jungtiere zur Welt gebracht haben.
Hierfür spricht auch, dass die Walhaie ab Juni beginnen, in grosser Zahl ins Galápagos- Meeresschutzgebiet zu kommen. Die meisten Tiere sind im August vor Ort und verlassen das Schutzgebiet bis im Dezember. Die Forscher hoffen deshalb, dass sie bei einer Ankunft im Juni bei den Walhaien andere Hormonwerte feststellen können.
Wohin wandern die Walhaie

Alle fünf SPOT6 Sender sendeten zuverlässig und brachten den Forschern weiterführende Erkenntnisse.
- Der erste markierte Walhai legte in 66 Tagen eine Strecke von mehr als 3’426 Kilometern zurück und schwamm von Darwins Arch in mehreren Schleifen um die Galápagos Inseln, bis sich das Signal in den Gewässern weit östlich des Archipels verlor.
- Der zweite Walhai legte in 149 Tagen eine Strecke von mehr als 2’407 Kilometern zurück und schwamm von Darwins Arch bis in die tiefen Gewässer im Norden von Peru, wo das Signal endete.
- In 21 Tagen schwamm der dritte Walhai 1’185 Kilometer in Richtung Peru. In einem Gebiet mit Wassertiefen von bis zu 3'500 m brach das Signal aus ungeklärten Gründen ab.
- Der vierte Walhai schwamm in 58 Tagen eine Strecke von 1'811 Kilometern von Darwins Arch bis vor die Küste Ecuadors, wo das Signal aufhörte.
- Der fünfte Walhai «Esperanza - Hoffnung» legte in 224 Tagen eine Strecke von über 7'408 Kilometern zurück. Es ist die längste jemals mit Satelliten aufgezeichnete Wanderroute eines Walhais, Die Forscher hofften, dass der Walhai weiter nach Osten schwimmen würde (es wäre der erste Nachweis einer «Rundreise» zurück zu den Galápagos Inseln). Stattdessen schwamm das Tier nach Westen in Richtung Französisch-Polynesien, wo der Sender seit Ende Mai 2020 und nach 270 Tagen keine Daten mehr liefert.
Leider verschwanden in ungeschützten Gewässern alle Sendesignale der Walhaie. Grund zur Besorgnis gibt insbesondere die Anwesenheit riesiger chinesischen Fischfangflotten rund um das Galápagos-Meeresschutzgebiet herum. Diese Schiffe fischen kritiklos alles, was sich in Langleinen und Netzen verfängt. Sie sind damit eine sehr grosse Bedrohung für die Artenvielfalt im Galápagos-Meeresschutzgebiet.
Eine weltweite Datenbank mit Walhai Bildern
Das Hautmuster der Walhaie ist bei jedem Tier einzigartig, vergleichbar mit unserem Fingerabdruck. Aus diesem Grund fotografiert Chris alle von ihm gesichteten Walhaie und lädt die Fotos mit Datum und Ort der Sichtung, auf der internationalen Walhai-Datenbank «Wildbook for Sharks» https://www.whaleshark.org/ hoch. Durch diese Datenbank ist es jedem Taucher möglich, Tiere zu erkennen oder festzustellen, ob und wo ein Tier bereits gesichtet wurde. Bei der Expedition im Jahr 2019 war es möglich, die Datenbank um 33 Walhai-Fotos zu erweitern.
Diese Daten helfen den Forschern auch festzustellen, wie lange sich die Tiere im Galápagos- Meeresschutzgebiet rund um Darwins Arch aufhalten oder ob sie das Gebiet verlassen und zurückkommen. Ausserdem erhofft man sich so, Verhaltensweisen der Walhaie oder Bereiche, die den speziellen Bedürfnissen der Tiere entsprechen wie z.B. Futtersuche, Geburt, Aufzucht, ableiten zu können.
Allein aus dem Galápagos Archipel wurden bisher über 550 Walhaie der Datenbank hinzugefügt. Das ist möglich, da lokale Tauchschulen und Taucher sich bereit erklärt haben, diese Fotoaktion aktiv zu unterstützen.

Neue Herausforderungen
Langfristige Daten über die Wanderungen und die Lebensweise der Tiere werden dringend benötigt, um weitere Aufschlüsse über das Leben der Walhaie zu bekommen. Nur dann können wirksame Schutzmassnahmen entwickelt werden.
Dazu ist es wichtig, Sender zu finden, die bis zu einer Tiefe von 5-6'000 m funktionieren, die dann die bisher verwendeten miniPAT Sender ersetzen, weil sie sich lösen oder zerstört werden, sobald eine Tauchtiefe von 1'700 m erreicht wird. Leider gibt es bis jetzt noch keine geprüften Sender für derartige Anforderungen. Deswegen ist das Team in Kontakt mit Entwicklerfirmen, die in diesem Bereich arbeiten. Bis eine Lösung gefunden ist, werden die bewährten Sender genutzt.
Es wird auch überlegt, durch Anbringen eines Beschleunigungsmessers zusätzlich unterschiedliche Bewegungsarten (Gleiten, senkrechtes Abtauchen, im Kreis schwimmen und Auftauchen) der Tiere zu erfassen.
Die Blutproben sollen weltweit mit denen anderer Walhai-Populationen verglichen werden. Es ist geplant, in Zukunft die Datenauswertung mit jener des Teams vom Georgia Aquarium in Atlanta zu koordinieren, da dieses das Blut der Tiere zusätzlich nach Nano-Plastik-Partikeln untersucht
Sie sehen: Es sind noch viele Wissenslücken zu füllen, bis wir genug über diese einzigartigen und majestätischen Meeresriesen wissen, um ihren Fortbestand dauerhaft zu sichern.